Aufregung im Kloster – Teil 2
Der Transporter stoppte abrupt, die Tür wurde geöffnet und den drei Schwestern bedeutet auszusteigen. Mit vorgehaltener Pistole wurden sie von zwei maskierten Männern durch ein altes Gehöft geführt. Rings herum nur Wald und Wiese. Still folgten sie den Anweisungen. Sie durchquerten einen Gang in dem alten Bauernhaus und stoppten vor einem Holzverschlag. Einer der Männer öffnete die Tür. „Rein da! Da könnt ihr schreien wie ihr wollt, hier wird euch keiner hören. Wenn ihr euch ruhig verhaltet, lassen wir euch morgen Abend wieder raus. Wenn der Kauf unter Dach und Fach ist.“ Unsanft schubste er Maria in Richtung der Treppe, die in einen muffigen Keller führte. Der andere brachte in der Zwischenzeit drei Flaschen Wasser und einen Beutel trockener Brötchen. „Soll ja keiner behaupten, dass wir euch hungern lassen.“
Das Nächste, was die drei hörten, war, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und die Stimmen der Männer, die sich entfernten.
Sie versuchten, sich in dem schummerigen Licht zu orientieren. Der einzige Ausweg, aus dem Kellerloch war die Tür. Das winzige vergitterte Fenster sorgte für minimal Frischluft, zur Flucht war es definitiv nicht geeignet.
„Wir müssen hier raus, sonst flipp ich aus“, knirschte Maria durch die Zähne. Christina sah sich um. In einer Ecke lagen ein paar Decken, ein Blecheimer in der anderen. Der war vermutlich für ihre Notdurft gedacht.
„Bleib ruhig“, versuchte sie Maria zu beruhigen, uns wird schon nichts passieren. Du hast doch gehört, sie werden uns nichts tun.“
„Darum geht es nicht.“ Maria wurde energischer. „Ich hab eine Scheißangst vor Spinnen.“ Juliane, die bisher nichts gesagt hatte, konnte sich ein kichern nicht verkneifen. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
„Hier in dem Raum ist nichts, was uns irgendwie helfen könnte, diese Tür aufzubekommen“, fasste Christina zusammen und Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit.
„Lasst mich mal sehen“, ergriff nun Juliane das Wort und begutachtete intensiv das Schloss des Kellerverschlages. „Ich denke, das ist ein Buntbartschloss. Gibt es hier irgendwo ein Stück Draht?“ Die drei Frauen sahen sich im Kellerraum, aber der war wie leer geputzt. „Eine Haarklemme würde es auch tun.“ Auch da war nichts zu holen. Maria fing an, ihren Habit zu durchsuchen und brachte eine Schraube, einen kleinen Inbusschlüssel und einen Holzstift ans Licht. „Das könnte ich noch anbieten“, präsentierte sie ihre Fundstücke. „Du bist großartig.“ Juliane schnappte sich den Inbusschlüssel und steckte ihn in das Schloss. Schwester Christiane schickte ein Stoßgebet gen Himmel. Es gab ein metallisches ‚klack‘ und das Schloss sprang auf. Ungläubig schauten Maria und Christiane ihre Ordensschwester an. Die hob nur entschuldigend die Schultern. „Ich war ja nicht immer Nonne.“
Maria, froh der Spinnenhölle entkommen zu können, wagte als erste den Schritt nach draußen. „Ich glaub, die sind nicht mehr da“, flüsterte sie den anderen beiden zu. „Der Transporter ist weg.“ Vorsichtig schlichen sie durch das verlassene Gebäude, bis sie vor der Tür standen. Die Luft war rein. In einiger Entfernung sahen sie vereinzelt Autos vorbeifahren. „Wir müssen zu dieser Straße“, entschied Christina. „Übers Feld geht es am schnellsten.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
Kathi und David waren unterdessen etliche Kilometer durchs Oberland gefahren und beschlossen, eine Pause zu machen. Sie breiteten eine Decke aus, als Kathi plötzlich erstarrte. „Siehst du auch, was ich sehe?“, stotterte sie?
„Weiß nicht, was siehst du denn?“ David blinzelte träge.
„Ich sehe drei Nonnen, die über ein Feld rennen.“
Nun wurde die Situation auch für David interessant. Und tatsächlich, drei Ordensschwestern mit hochgerafften Gewändern, flitzten über das Feld. David musste ein Foto machen, das Bild war einfach zu kurios.
Moment, hatte nicht Ella vorhin etwas von drei verschwundenen Nonnen erzählt? Das konnte kein Zufall sein. Kathi fing an, zu rufen und den Schwestern zuzuwinken. Diese nahmen davon Notiz und wechselten die Richtung. Völlig außer Atem kamen sie bei Kathi und David an.
Nachdem sie alles erklärt hatten, rief Kathi die Polizei. Kurz darauf fuhr ein Polizeiwagen vor, um die erschöpften Ordensschwestern abzuholen, die, wild durcheinanderschwatzend, von der Entführung und dem anstehenden Verkauf des Klosters berichteten. Die Aussagen der drei wurden aufgenommen und da sie unverletzt waren, wurden sie von der Polizei am Kloster abgesetzt.
Als sie den Klosterhof betraten, sahen sie, wie die Mutter Oberin vor der Tür mit einem gelackten Geschäftsmann diskutierte.
Maria wollte zu ihnen stürmen, doch Christina hielt sie zurück. „Warte kurz, ich will hören, worum es da geht. Ruft sicherheitshalber die Polizei. “ Hinter einem großen Rhododendron suchten die drei Schwestern Schutz und hofften, dass sie noch nicht zu spät kamen.
„Sie müssen nur unterschreiben und dann bin ich auch schon weg“, redete der Anzugträger auf die Mutter Oberin ein.
„Entschuldigen Sie, dass ich gerade ganz andere Sorgen habe. Drei meiner Schwestern sind verschwunden. Bevor ich nicht weiß, dass es ihnen gut geht, habe ich den Kopf nicht frei für solche Geschäfte.“
„Gut, wenn sie das so sehen.“ Er überlegte kurz. „Mein Angebot gilt noch eine Stunde. Mit jeder weiteren Stunde, die vergeht, sinkt es um zehn Prozent.
„Aber das ist doch Wucher“, erboste sich die Mutter Oberin.
„Es liegt ganz an Ihnen“, erwiderte der schmierige Typ und schickte sich an zu gehen.
„Warten Sie.“ Verzweiflung spiegelte sich in ihrem Gesicht.
Nun hielt es Maria nicht mehr aus. „Unterschreiben Sie nichts!“ Sie stürmte hinter dem Rhododendron hervor, Juliane und Christina folgten ihr.
„Der da“, anklagend zeigte Maria auf den erschrockenen Erpresser, „der hat uns entführen lassen!“
„Aber Schwester Maria, was sind denn das für Anschuldigungen?“
„Es ist wahr“, setzte Juliane nach. „Ich erkenne einen Kriminellen, wenn ich einen sehe.“
„Maria hatte eine andere Lösung für die Rettung des Ordens, aber bevor Sie Ihnen davon berichten konnten, wurden wir verschleppt“, erläuterte Christina, „daher sollen Sie so schnell wie möglich unterschreiben.“
In dem Moment betraten zwei Polizeibeamte den Hof.
„Aber woher wussten die von den Plänen von Frau Richter?“, erkundigte sich Juliane.
„Ich habe die Stimme eines der Entführer erkannt“, erklärte Maria, „er ist Pfleger in dem Heim und hat vermutlich unsere Unterhaltung mit angehört.“
Die Polizei nahm den wild diskutierenden Geschäftsmann in Gewahrsam und dank Marias Aussage auch seine Komplizen.
Das Vermögen von Frau Richter reichte nicht nur aus, um die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Es konnte auch ein Flügel des Klosters als Gästehaus ausgebaut werden, in dem nun getriebene Seelen zur Ruhe kommen können.