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Ein Lächeln von Herzen

von | 22. September 2023

Die Geschichte „Ein Lächeln von Herzen“ will unser Augenmerk auf eine märchenhaft alte Weisheit lenken:

Ein Lächeln kostet nichts, und ist doch nicht umsonst – jedes Lächeln macht die Welt ein Stückchen freundlicher.

 

 

 

 

Ein Lächeln von Herzen

 

Es ist lange her, da lebte ein Mann, dem war das Lächeln aus dem Gesicht gefallen. Er hatte es nicht einmal gemerkt, bei all der Sorge und Mühe, die jeder Tag mit sich brachte. Als er eines Morgens in den Spiegel sah, erschrak er vor dem Bild, das ihn anstarrte. Furchen durchzogen die Stirn und die Mundwinkel bogen sich abwärts, als hinge an jeder Seite ein Pfund Blei.

„Kein Wunder!“, brummte er. „Wer weiß, was mich heute erwartet.“

Das Frühstück, das seine Frau liebevoll zubereitet hatte, konnte ihn nicht aufheitern. Mürrisch schob er den halbvollen Teller beiseite, wischte sich die Krümel vom Mund und stand auf. Er griff nach seiner Jacke und war schon auf dem Weg nach draußen.

„Ich wünsch dir einen schönen Tag, Albert!“, rief Hilda ihm hinterher und hoffte, dass ihre Freundlichkeit ihn erreichen würde. Aber wie so oft in letzter Zeit bekam sie als Antwort nur unwilliges Knurren.

Und doch hatte sie ihn lieb. Es tat ihr weh, wenn sie seine gebeugten Schultern sah. Vor allem fehlte ihr seine Fröhlichkeit. Irgendetwas muss geschehen, sagte sie sich. Tagein, tagaus sein missmutiges Gesicht ertragen, das war zu viel verlangt! Noch heute würde sie ihn sanft und bestimmt ermuntern, wieder freundlicher zu blicken.

Als Albert nach Hause kam, versuchte sie geschickt, ihm ein Lächeln zu entlocken, aber sie erreichte nur, dass er ungehalten wurde. Wie sollte er wohl lachen, wenn es nichts zu lachen gäbe, musste sie sich anhören. Die Welt, die Leute, das Wetter, alles war schlecht. Da brauchte er nicht noch eine nörgelnde Frau.

„Du musst nicht gleich lachen“, lenkte sie ein, „ein Lächeln würde mir schon genügen.“ Albert runzelte die Stirn und fuhr sie an: „Und woher soll ich das nehmen?“

Ärgerlich über so viel Starrsinn brach es aus ihr heraus: „Such dir doch eins! Geh! Schau dich um! Vielleicht liegt eins auf der Straße!“

Albert presste den Mund zusammen und schob sie beiseite. Dann holte er seinen Rucksack hervor, stopfte ein paar Sachen hinein und zog die Wanderschuhe an. „Genau das werd‘ ich tun, dann bist du mich für ein paar Tage los“, sagte er, schnappte seinen Hut und stapfte davon.

Hilda schaute ihm kopfschüttelnd nach und hörte noch eine Weile sein Schimpfen: „Natürlich! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Haufenweise liegt das Lächeln herum, gleich werde ich darüber stolpern!“ Dann verschmolz sein Schatten mit den Büschen, die in der Ferne den Weg säumten.

Langsam legte sich Hildas Aufregung. Vielleicht war es gut, wenn er sich eine Weile woanders umsah.

 

Albert marschierte mit grimmigem Gesicht über Stock und Stein, unbeachtet wogte die Sommerlandschaft an ihm vorbei. Als er endlich den Kopf hob, bemerkte er, dass er die vertraute Gegend verlassen hatte. Der Pfad schlängelte sich nun durch Kiefern, die immer dichter wurden und den Weg düster machten. Der Wald schien kein Ende zu nehmen. Albert atmete auf, als er einen Lichtschimmer entdeckte. Ein rostiges Schild baumelte an einem Pfahl und verriet ihm, dass er in der Nähe einer Herberge war. ‚Wenn sie verlassen wäre, gäbe es kein Licht‘, dachte Albert und schöpfte Hoffnung auf eine Mahlzeit und ein Bett.

Der Wirt hinter der Theke musterte ihn verstohlen, fragte nach seinen Wünschen und machte sich in der Küche zu schaffen.

Albert hatte kaum den ersten Bissen getan, da kamen drei seltsame Gestalten zur Tür herein. Fremd, ja sogar ein wenig unheimlich sahen sie aus, und sie steuerten genau auf Alberts Tisch zu. Der hob kaum den Kopf, weil ihm nicht nach Unterhaltung zumute war, aber das störte die neuen Gäste nicht. Sie ließen sich neben ihm nieder und beäugten ihn ungeniert. Albert hörte, wie sie sich lustig über ihn machten.

„Ein echter Miesepeter!“, sagte der eine und der nächste spottete: „Hat wohl sein Lächeln verloren.“ Und so ging es weiter.

Albert versuchte, sie nicht zu beachten, doch bald konnte er sich nicht mehr beherrschen. „Wenn ihr so neunmalklug seid, dann sagt mir doch, woher ich dieses, anscheinend so begehrte Lächeln nehmen soll. Meine Frau hätte gern eins, nämlich für mich!“

Die drei blinzelten sich zu. „Glaubst du, wir sind zufällig hier?“, zischte der erste und beugte sich vertraulich vor. „Ich habe eben eine Kiste besorgt, neue Ware, da sollte ein Passendes dabei sein.“

„Wovon sprichst du?“ Albert wurde hellhörig.

„Von einem Lächeln natürlich! Kein gewöhnliches, versteht sich. Es ist künstlich, nutzt sich nicht ab. Man kann es Tag und Nacht tragen, nach Belieben aufsetzen oder verstecken. Es lässt sich sogar einfrieren. Natürlich hat es seinen Preis.“ Mit halb geschlossenen Lidern wisperte er eine Summe, von der Albert übel wurde. „Da müsste ich mein Häuschen verkaufen und die Wiese dazu! Und dann ist es nicht mal echt!“ Er schüttelte den Kopf.

Der geheimnisvolle Händler trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. „Falsch oder echt, was spielt das für eine Rolle! Greif zu! Bevor nichts mehr da ist.“

Ehe Albert antworten konnte, drängte der Nächste: „Pass auf! Mein Angebot wird dir besser gefallen!“

„Und wo ist der Haken?“, fragte Albert und fingerte an seinem Kragen.

 

Aus: Eva Mutscher, Ein Lächeln von Herzen

2016 Verlag am Eschbach, Verlagsgruppe Patmos in der Schwabenverlag AG, Ostfildern

ISBN-10 ‏ : ‎ 9783869174747 ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3869174747

 

 

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