Kreative Vielfalt ist ihr unübersehbares Markenzeichen.
Die Künstlerin Charlotte von Elm liebt die Bildende Kunst, besonders die Malerei.
Als kreatives Multitalent ist sie aber auch in der Kochkunst und in der Food-Fotografie zuhause und hat aufwändige Raum- & Video-Installationen realisiert.
Mit künstlerischen Themenmenüs bringt sie in Görlitz Kunst und Genuss zusammen.
Saisonale Zutaten aus der Region verarbeitet sie mit ihren Gästen in einem Kochatelier zu internationalen Spezialitäten.
In einer Künstlervilla auf dem Mühlweg wird „essperimentiert“, gekocht, gefeiert und künstlerisch gearbeitet.
Was sie antreibt und wie sie ihre Ideen umsetzt; oberlausitz-art hat nachgefragt.
OLA: Frau von Elm, was war zuerst da, die Liebe zur Malerei oder zur Kochkunst?
ChvE: Temporär zweifellos die Liebe zu der Kochkunst meiner Mutter. Aber als Kind habe ich viel gelesen, gemalt und gezeichnet und Häuser aus Schuhkartons und Stoffen entworfen und gebaut.
Da ging es dann wohl schon los mit der „interdisziplinären“ Arbeit.
OLA: Haben Sie Ihre Leidenschaft für das Kochen aus Ihrem Elternhaus?
ChvE: Meine Mutter war eine gute Köchin: alles täglich Frisch, alles saisonal und regional. Gemüse, Salate und Obst kamen aus unserem eigenen Garten. Freitags gab’s Fisch und Sonntags den Braten. Der Rest der Woche wurde meist vegetarisch gekocht.
Für eine Leidenschaft oder Passion entfernt man sich eher von der Alltäglichkeit oder versucht das Gelernte zu vertiefen, zu verfeinern oder zu veredeln. Viele Zutaten, die wir heute so selbstverständlich verarbeiten, waren in der Küche meines Elternhauses und Allgemein in den Sechzigern bis in die Siebziger eher unbekannt – Auberginen waren beispielsweise eine Sensation. Oliven, Kapern, Artischocken waren eher Ausnahmen. Frischer Oktopus, Dorade und Thunfisch auch beim Fisch- & Feinkosthändler selten. So bin ich dankbar für eine solide Basis von zuhause, da ich ja als Köchin Quereinsteiger bin.
OLA: Wie wurden Sie selbst KünstlerIn?
ChvE: Talent ist sicher eine Voraussetzung um künstlerisch tätig zu sein, aber es macht noch keinen Künstler. Mein Weg zur Bildenden Kunst ging über die Angewandte Kunst: Bereits während der Fachoberschule für Gestaltung begann ich als Foto-Assistentin zu arbeiten. Wir hatten damals in Nürnberg eine gute Ausgangssituation für kreative Berufe: es gab AEG, Quelle, Diehl, Fleischmann und viele andere regelmäßige Auftraggeber. Ich hatte das Glück, dass wir auch für internationale Auftraggeber wie Elisabeth Arden und Gunther Lambert gefragt waren. Später kam bei mir das Grafik Design hinzu. Meine Anfänge waren also im Bereich des Design – der „Kunst, die sich nützlich macht“ 1)* .
Erst spät habe ich gemerkt, was ich wirklich machen möchte: künstlerisch frei arbeiten.
Darauf habe ich mich dann bis heute versucht zu fokussieren und so erst spät noch nebenberuflich an der damals Freien Akademie für Bildende Kunst in Essen ein Studium der Freien Malerei angehängt.
OLA: Sind Fotografie und Malerei Ihre bevorzugten künstlerischen Medien?
ChvE: Ich arbeite seit Anfang meiner künstlerischen Tätigkeit sozusagen interdisziplinär. Es interessierte mich schon immer in welche Medien ich mich als Künstlerin ausdrücken kann. In jüngeren Jahren war das für mich verständlicherweise mit viel Technik und neuen Medien verknüpft. „The medium is the message“2)* . Bereits in den 80er Jahren zeigte das Kunsthaus in Nürnberg meine großformatigen Fotografien von blutigen Schweinehälften in leeren, gekachelten Räumen. In den 90ern habe ich dann auf Environments erweitert, einer Kunstrichtung die erstmalig in den USA Ende der 1950er Jahre im Umfeld der PopArt-Künstler entstand. Meine Arbeit “54° 10′ 57″ Nord“ eine Videoinstallation mit dem Deutschlandlied von Heinrich von Fallersleben und einen Union-Jack aus Roten-Weißen und Blauen Spielzeug-Eimerchen die mit Helgoländer Sand gefüllt waren, zeigte ich Ende der 1990er auf Helgoland. Der Sand in den Eimern wurde von den Kindern der Insel wieder zurück ins Meer gekippt. Die Eimer durften die Kinder behalten.
Zu der Wettbewerbsausstellung „Im Zeichen des Goldes“ in Schwabach zeigte die Arbeit „Minima Moralia“, ausgestellt auf dem Schwabacher Marktplatz, über 800 Plastikrosen mit goldenem Autofelgenlack überzogen zu Adornos Text aus der Minima Moralia auf 3meterlangen Stahlplatten gedruckt. 2001 haben die aufwändige Videoinstallation mit präpariertem Rinderkopf “we’re all stars now in the dope show “ ebenfalls auf einer weiteren Wettbewerbsausstellung über zweitausend Leute gesehen. Hier hatte ich auch einen Tänzer und Musik von Arnold Schönberg und Marilyn Manson integriert. Der Videoschnitt und das Rendern für ein 8 Minütiges Loop dauerte damals über eine Woche und ich lernte dafür Final Cut Pro. Eine weitere installative Arbeit, die 2010 auch im Kunsthaus Nürnberg ausgestellt war, wurde im Museum Abtei Liesborn und dann an mehreren Kunstorten in NRW gezeigt. Sie besteht aus (fränkischen) Trauerschürzen, mehreren Henkelmännern und historischen Fotografien von Menschen, die an leeren Tischen sitzen.
2012 habe ich in der Zentrifuge auf AEG eine mobile Verkostungs – Performance gemacht, bei der sich völlig fremde Menschen gemeinsam einen Teller Suppe auslöffeln. Auch eine Arbeit die Essen und Kunst in direktem Zusammenhang hat. Eine weitere Installation bestand aus 100 kleinen Autos, die ich aus Erde geformt hatte. Einer meiner wenigen Ausflüge in die Dreidimensionalität der Skulptur, wenn Sie so wollen. Die Malerei ist also seit meinem Studium eher die “andere Gattung”, eine andere Art Dinge, die mich beschäftigen auszudrücken, mit einem Medium das man eher als „back to the roots“ und „analog“ bezeichnen kann. Ein Medium das gut zu meiner Gegenwart passt: die Dinge entschleunigt anzugehen.
OLA: Was und/oder wer sind Ihre künstlerischen Einflüsse?
ChvE: Stilprägende Einflüsse kann ich für mich selbst so nicht im Einzelnen benennen. Natürlich gibt es immer inspirierende Menschen und ich hatte das Glück, viele von ihnen kennenzulernen. Sie haben, ob wissentlich oder nicht, ihren Teil dazu beigetragen, mich zu formen zu inspirieren und zu verbessern. In der Malerei liebe ich die großen Maler wie Corinth, Rembrandt, Tintoretto – sehr mag ich auch Soutine oder Manet. Von den zeitgenössische Künstlerinnen bewundere ich Louise Bourgeois, Georgia O’Keeffe, Lee Krasner, Alice Neel und Kiki Smith um nur einige zu nennen. In der Verbindung zu Lebensmitteln sind für mich natürlich auch Künstler wie Beuys, Spörri, Roth von Bedeutung. Sie bilden mit Eat Art die Vorreiter an der Schnittstelle zwischen Kunst und Leben. Sie reflektieren “die Nahrungsaufnahme als Mittel der Identitätsstiftung sowie die Produktion, Verwertung und den Konsum von Lebensmitteln in einer globalisierten Gesellschaft.” 3)*
OLA: Was sind Ihre gegenwärtigen Themen, welche Art von Kunst machen Sie?
ChvE: Gegenwärtig ist die Malerei mein Medium. Hier arbeite ich mit Ölfarben, meist auf Leinwand aber auch auf vorgefundenen Untergründen wie Stoff oder Holz. Inhaltlich sind es zwei Themenkreise die im Zentrum meines malerischen Interesses stehen: Essen und Natur.
Essen ohnehin als mein zentrales Thema: Hunger und Durst müssen gestillt werden. Gleichzeitig ist dieses basale Bedürfnis der Motor unserer kulturellen Entwicklung und eine fundamentale Form der Welterfahrung, wie Freud unsere erste Beziehung zur Außenwelt analysierte.
Besonders beschäftigen mich die vielfältigen Bedeutungszusammenhänge und Konnotationen, die mit Nahrung, Lebensmitteln und Essen zusammenhängen. Die existenziellen wie sinnlichen Aspekte des Essens und Kochens.
Ein Huhn, ein Fisch oder ein Rind sind ja zunächst lebendige Wesen bevor sie vielleicht zur Delikatesse werden. Es geht nicht nur darum Obst und Gemüse oder Desserts als bildgewordene Reflexe einer Alltagswirklichkeit darzustellen. Dahinter steht die Tatsache, dass Essen eine kulturell geprägte Handlung ist, ein “soziales Totalphänomen”4), das alle Lebensbereiche berührt.
Oder wie Alois Wierlacher zusammenfasst: “Essen war immer auch eine besondere Lust- und Leidquelle menschlicher Existenz, bedeutete Genuss und erregte Ekel, förderte Gemeinschaft und Individuation, stiftete Krieg und Frieden, war Zeichen der Liebe oder des Hasses, spiegelte Armut und materiellen Wohlstand, galt als Integral des Alltags und des Festtags, fungierte als Herrschaftsinstrument und Sozialisationsmittel, Medium und Experimentierfeld sinnlicher, sozialer und ästhetischer Erfahrungen und Sehnsüchte.” 5)
Das Thema Natur bearbeite ich seit meinem Besuch in Hemingways Garden auf Key West, der mich zu einer ganzen Serie über die dortige Flora inspirierte. Gegenwärtig entstehen mehrere Arbeiten zu meinem jetzigen Garten, also mit heimischer Flora. Pflanzen, Blumen und die Natur erden mich und ich glaube, dass die Natur eine Basis ist, die vielen Menschen des 21. Jahrhunderts fehlt.
OLA: Sie haben ein eigenes Atelier. Kann man Sie da besuchen, Ihnen zuschauen und Ihre Werke betrachten? Gibt es vielleicht eine eigene Galerie?
ChvE: Nach vorheriger Terminvereinbarung kann man mich gerne im Atelier besuchen.
In den Räumen des Kochatelier Görlitz sind meine Arbeiten ebenfalls während der Kochworkshops für die Teilnehmer zu sehen oder nach voriger Terminvereinbarung. Ich könnte mir auch vorstellen in Zukunft für eine kleine Teilnehmerzahl Workshops für Malerei oder Foodfotografie anzubieten oder auch andere KünstlerInnen zu kleinen Ausstellungen oder einer Lesung, Performance etc. einzuladen.
Die Räume in der Künstler-Villa im Mühlweg sind dafür wie geschaffen.
OLA: Wie kreativ sind Sie in der Küche?
ChvE: Kreativität ist für mich und ich glaube auch die Teilnehmer unserer Kochworkshops sehr wichtig. Sie sind daran interessiert mit neuen Kombinationen Bewährtes abwechslungsreicher und vielleicht gesünder, bekömmlicher oder moderner zu gestalten. Das macht Spaß und geht sogar mit low budget, ist also auch im Alltag praktikabel, wobei die gute Qualität regionaler und Saisonaler Produkte Voraussetzung ist.
Persönlich kombiniere ich gerne Zutaten neu miteinander – sogenanntes „Foodpairing“ wobei es hier nicht nur um Aroma-Harmonie sondern auch um Kontrast gehen kann. Ein weites Feld, das sich schon seit zwei Jahrzehnten mit der aufsehenerregenden Kombination von Kaviar und weißer Schokolade (Heston Blumenthal) eröffnet hat.
Und ich möchte in die Kunst der Fermentation einsteigen. Im Letzten Jahr habe ich beispielsweise wilde Kirschblüten fermentiert – das bringt Umami! Aber das ist ja nichts Neues oder Kreatives, sondern eine Technik die schon unsere Vorfahren kannten. Kreativ ist dann vielleicht wie man ein solches Produkt einsetzt.
So findet sich Kreativität in vielen Küchen – von klassisch ausgerichtet bis innovativ. Es macht m.E. aber keinen Sinn einer „Mainstream-Moderne“ zu folgen, ohne beispielsweise ein klassisches Gericht der „cucina povera“ lecker und technisch einwandfrei hinzukriegen.
Der nächste Schritt der Kreativität heißt Innovation, wie die Leistungen von Ferran Adrià oder René Redzepi 6)* und Co. In dieser Liga spielen nur ganz wenige, das ist die Avantgarde oder der Olymp der Küchenchefs – so wie es eben in der Kunst Gerhard Richter, Hockney und Hirst etc. gibt. Angesichts solcher Leistungen bleibe ich lieber bescheiden, bin gerne kreativ, aber immer und stets am Lernen und manchmal ist Omas Apfel-Strudel einfach ok und muss nicht dekonstruiert werden.
OLA: Aufgewachsen sind Sie in Nürnberg. Was hat Sie in die Oberlausitz geführt?
ChvE: Die Oberlausitz und meine Wahlheimatstadt Görlitz bieten mir alles was ich brauche um künstlerisch und kulinarisch tätig zu sein. Die Nähe zur Natur und unser kleiner Garten sind beispielsweise für mich sehr wichtig.
Der Nah-Erholungswert, die Landschaft der Oberlausitz und dieser wundervolle Berzdorfer See direkt vor der Haustür – all das ist nicht überlaufen und man findet noch Ruhe und Beschaulichkeit. Besonders schätze ich das entspannte Tempo in der Stadt und die Qualität nur über eine Brücke zu fahren und im Nachbarland Polen zu sein.
Die Vielfalt und Schönheit der Baudenkmäler ist beeindruckend und man entdeckt hier viel Schönes. Wichtig für mich, dazu polarisierend, aber auch das Verfallene, kaputte, noch Unfertige und Morbide.
Görlitz als Europastadt hat noch ein positives Wachstumspotential, es siedeln sich kleine Start ups und Mittelständler an und es gewinnt als Forschungsstandort zunehmend an Bedeutung.
Ja, und ganz besonders: die Menschen hier erlebe ich als aufgeschlossen, zugewandt und freundlich.
Oberlausitz-art bedankt sich, auch im Namen unserer Follower, für das interessante Interview.
Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in Küche und Atelier.
Charlotte von Elm
Bildende Künstlerin (Akad.)
https://www.instagram.com/charlottevonelm/
Beitragsbild: Jürgen Riedel
Bild im Text: Michael Knufinke
1)* Design ist Kunst, die sich nützlich macht. Carlos Obers 1984, Quelle: http://www.die-neue-sammlung.de/z/muenchen/faq/m-o_de.htm
2)* Marshall McLuhan, Medienanalytiker, 1968
3)* Pressetext Kunstmuseum Stuttgart, Eat Art. Vom Essen in der Kunst, 2010
4)* Marcel Mauss: Die Gabe. Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften, Ffm, 1968
5)* Alois Wierlacher: Kulturthema Essen. Ansichten und Problemfelder, Berlin 1993
6)* Ferran Adrià, ist der Mitbegründer der Molekularküche, René Redzepi, Küchenchef Noma, das 2010 von der britischen Fachzeitschrift „Restaurant“ als „bestes Restaurant der Welt“ ausgezeichnet wurde.
Galeriebilder
1 und 2 Charlotte von Elm, 3 skull, 4 Vögel, 5 Malutensilien, 6 Ochse, 7 Lostcause, 8 Oyster, 9 Erdauto, 10 Mohn, 11 Hemingways Garden,
12 Installation, 13 Atelier, 14 Henkelmann, 15 Schürzen-Installation, 16 Installation, 17 Henkelmänner auf Schürzenstoff, 18 Charlotte von Elm,
19 Atelier, 20 Atelier von Außen