Beitrag für Oberlausitz-Art
August 2020
Den Auszug, den ich in diesem August – Beitrag bei www.oberlausitz-art.de vorstelle stammt aus dem zweiten Fall meiner kleinen Krimireihe: „Hexenbrennen“ www.sylke-hoerhold.de. Wer auf meiner Autorenseiten nachschaut, sieht, dass es dort zwei verschiedene Cover gibt. Das erste, brandrote Buchcover ist noch von Peter Israel und verlegt von meinem ersten Verleger Dr. Frank Stübner vom Lusatia-Verlag. Beide diese wunderbaren Büchermenschen sind leider schon verstorben. Das neue Cover ist bereits für eine neue Auflage und das E-Book beim www.neissuferverlag.de erschienen.
Meine Leser und Menschen, die mich kennen wissen, dass ich eine große Katzenfreundin bin. Um so mehr hat viele erschreckt, dass es in „Hexenbrennen“ um Katzenmorde in Finkendörfel geht. Im Dorf vermutet man eine satanische Sekte dahinter, da verdächtige Unfälle geschehen, teuflischer Schabernack Menschen in die Verzweiflung treibt und schließlich verschwindet ein Mädchen spurlos. Julia Eisler und die tatkräftige Katzenfreundin Trude sind den Unholden jedoch schon auf der Spur und ruhen nicht eher, bis das dunkle Geheimnis im Schein der Hexenfeuer am letzten Apriltag gelüftet ist.
Ich lade ein zu einer Szene, die in den Oberlausitzer Wäldern bei einem Klassenausflug zu einem der Sonnenheiligtümer führt. Die Lehrerin Rita Gerlach ist noch voller Empörung über einen bösen Scherz. Man hatte ihr eine betäubte Katze ins Lehrerzimmer geschickt. Einer der Hauptverdächtigen für diese empörende Schurkerei ist ihr Schüler Michael, den sie sich ordentlich vorzuknöpfen gedenkt, als …
„Nachdem Michael hinter der Wegbiegung verschwunden war, holte Rita Gerlach ihr Notizbuch aus ihrer Umhängetasche. Da die drei Mädchen immer noch nicht in Sichtweite waren, begann sie, sich ein Gedächtnisprotokoll des Gespräches anzulegen. „Donnerstag, 22. April, 11.45 Uhr, Wanderausflug 8. Klasse, Mittagssteine. Aussprache mit Michael Lebelt, Klasse 8b, bezüglich Katzenattentat, Zeugen keine. Auf direkte Konfrontation mit der Thematik reagiert M. erschrocken und verwirrt. Keinerlei Kooperationsbereitschaft zu erkennen. Das Thema Internetflüche und Katzenmorde angesprochen. Ebenso keine Mitarbeit oder Information. Zunehmende verdeckte Aggression in der Körpersprache. Aussprache mit Elternhaus dringend erforderlich, da Möglichkeit einer Mittäterschaft oder Mitwisserschaft. Polizei einschalten? Welche Möglichkeiten hat die Schule, intern zu Lösungen zu finden? Mit Jutta Werner reden.“
Rita Gerlach klappte das Notizbuch zu und legte das Gummiband wieder darum, in das sie den Kugelschreiber klemmte. Dann steckte sie beides wieder in ihre Tasche. Die Termine würden sich also wieder stapeln, vor allem die Aussprachen mit den Eltern. Da stand die von den Schönes ganz oben an. Sie hatte das Mädchen von Anfang an gewarnt. Ihr konnte sie nichts vormachen, sie kannte die Symptome von Drogenmissbrauch. Die Augen, die Haut, die Reaktionen, das veränderte Wesen. Die Kleine nahm definitiv wieder etwas. Wie sie das mit den Tests hinbekam, war Rita noch ein Rätsel, doch auch dahinter würde sie schon noch kommen. Diesen verdammten Sumpf trockenlegen! Ja, „das Letzte wäre das Höchsterrungene“. Rita spürte, wie ihr Blut dabei schon wieder in Wallung geriet. Sie musste vorsichtig sein. Ihre Ärztin hatte sie erst neulich gewarnt und ihr dringend Entspannung empfohlen. – Immerhin war Melanies Vater ein Verbündeter im Kampf gegen die Drogen, spannen sich ihre Gedanken jedoch schon wieder weiter. Die Schönes sponserten großzügig das Projekt an der Schule. Und auch sie hatten ihrer Tochter ein Ultimatum gestellt. Gut so. Rita wünschte sich mehr solche engagierten und kooperativen Eltern. Wenn sie die Familie Lebelt besuchte, würde sie da ein ganz anderes Milieu erwarten und natürlich Widerstand ohne Ende: „Unser Michael? Niemals!“ Sie seufzte bei diesem Gedanken. Dann sah sie ungeduldig auf die Uhr. Es war kurz vor zwölf. Wo blieben die drei nur? Rita Gerlach ging ein paar Schritte des Weges zurück. Ärgerlich rief sie wieder und wieder nach den Mädchen.
Ein Geräusch aus dem dichten Tann schreckte sie auf. Für einen Augenblick dachte sie an Wildschweine, deren unverkennbar frische Wühlspuren sie immer wieder auf ihrem Weg erkannt hatte. Doch dann entdeckte sie den Blondschopf der kleinen Müller. Sie hörte sie schluchzen.
„Irina!“
„Frau Gerlach“, rief das Mädchen. Sie kämpfte sich durch die Zweige endgültig hinaus auf den Weg. Ihr Gesicht war zerkratzt von Zweigen. Tränen verschmierten sich mit Dreck. Irina zitterte am ganzen Leib, als sie vor ihrer Lehrerin stand. Rita erkannte, dass das Mädchen außer sich war vor Angst. Sie packte Irina an den schmalen Schultern. „Was ist passiert? Wo sind die anderen?“
Irina zeigte zurück auf den Tann, aus dem sie gekommen war. Immer wieder durchschüttelten sie Weinkrämpfe.
„Sind die anderen beiden noch da drin?“
Endlich nickte das Mädchen.
„Sind sie in Gefahr? – So rede doch endlich, Irina!“ Sie rüttelte das Mädchen. Das brachte nur mit sich, dass Irina völlig die Fassung verlor und sich heulend ihrer Lehrerin in die Arme warf. Ihre Hände verkrallten sich dabei schmerzhaft fest in Ritas Arme. So zart sie es vermochte, löste sich Rita Gerlach aus der Umklammerung. „Habt ihr euch gestritten?“, versuchte sie erneut, in das Mädchen vorzudringen. Irina schüttelte nur den Kopf.
Rita Gerlach verlor die Geduld. „Pass auf, Irina“, sagte sie energisch, „du gehst jetzt diesen Pfad weiter in Richtung Mittagssteine, bis du auf den Rest der Klasse triffst. Herr Haufe ist bei ihnen. Bei dem meldest du dich, klar?“
„Ist das klar?“, wiederholte Rita eindringlich, als Irina sie nur anstarrte. Dann erst nickte das Mädchen langsam.
„Ich suche die anderen beiden. Mach dir keine Sorgen.“ Da das Mädchen sie nahezu verzweifelt ansah, fügte sie noch etwas milder hinzu: „Ich werde denen schon nicht den Kopf abreißen. – Und nun geh!“
Sie wartete, bis Irina hinter der Wegbiegung verschwunden war. Das Mädchen ging nur zögerlich. Immer wieder blickte sie sich angstvoll nach der Lehrerin um. Rita beschloss, den Kollegen Haufe per Anruf zu informieren. Es lag kein Netz an. Sie steckte ihr Telefon wieder ein. Als sie aufsah, bog Irina gerade um die Kurve und entschwand ihrem Blickfeld.
Rita machte sich auf, nach Pya und Melanie zu suchen. Wie zuvor Irina kämpfte sie sich durch den dichten, dunklen Nadelwald. Immer wieder rief sie die Namen der Mädchen. Sie erhielt keine Antwort. Es schien, als schlucke der Wald jeden Laut. Das Knacken dürrer Zweige unter ihren Schuhen blieb das einzige Geräusch, das an ihr Ohr drang.
Endlich wurde es lichter. Rita fitzte sich durch das Brombeergestrüpp am Rande der Schonung. Die Dornen drangen durch die Wanderhose und rissen ihr am Knöchel über dem Rand ihrer Halbschuhe die Haut auf. Keuchend richtete sie sich auf, als auch dieses Hindernis überwunden war. Sie stand inmitten laublosen Mischwaldes im trüb milchigen Mittagslicht. Der Boden war morastig.
Sie registrierte die Wildschweinkuhle am Sumpfloch neben einem verwitterten Sandsteinfelsen. Auch hier war kein Laut zu vernehmen, kein Vogelgesang. Ihre Rufe nach den Mädchen verhallten ungehört, schienen gleichsam aufgesogen von diesem seltsam stummen Wald. Wo war sie? Weit konnte der Weg nicht sein, nur abgeschirmt durch den dichten jungen Nadelwaldstreifen. Rita sah hinunter. Auf dem weichen Waldboden fand sie nur ihre eigenen Spuren und die des unsichtbaren Schwarzwildes. War sie doch in die falsche Richtung gegangen? Hatte Irina sich vielleicht geirrt? Oder saß Rita hier etwa nur einem neuen üblen Streich auf?
Die Angst des Mädchens war echt gewesen, gab sie zu. Doch was, wenn auch Irina ein Opfer war? Ein Opfer wie sie. Ein Opfer? In Rita wuchs die Wut. Zu frisch war die Demütigung durch den Streich mit der Katze. Sie malmte mit den Zähnen, dass es knirschte. „Ruhig bleiben!“, befahl sie sich. Sie musste an ihren galoppierenden Blutdruck denken. Ruhig bleiben und kürzer treten, so lautete die Devise.
Vorsichtig trat Rita auf den weichen Grund, um hinüber zu dem Sandsteinfelsen zu gelangen. Von dort oben hoffte sie, sich einen Überblick verschaffen zu können. Auch würden ihre Rufe von dort weiter schallen.
Ihr rechter Fuß rutschte weg und sackte tief in den feuchten Modder. Hastig griff sie nach den vergilbten Schilfgräsern, die um das Sumpfloch standen. Nur mit Mühe fand sie Halt. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie atmete durch den Mund. „Ruhig bleiben!“ Endlich hatte sie ihren Fuß aus dem Morast befreit. Der Schuh war stecken geblieben. Rita stöhnte. Was kam nun als Nächstes? Während sie nach ihrem versunkenen Schuh hangelte, spürte Rita, wie sie mit dem anderen Bein tiefer rutschte. Feuchte Kälte umfing ihr anderes Bein bis zum Knie. Eine kindliche Stimme in ihr begann urplötzlich zu jammern und zu schreien: „Ich habe Angst. Ich will hier weg!“
Sogleich wischte die erwachsene Rita Gerlach die aufsteigenden Tränen ab und schalt sich eine Närrin. Sie war hier als Lehrerin verantwortlich für 26 Schüler der 8b. Und sie war auf der Suche nach zwei vermissten Mädchen, denen zwar wahrscheinlich keine Gefahr drohte, aber sicher musste sie schon gehen. Aufregen konnte sie sich hinterher immer noch. Jetzt war kühler Mut gefragt. Mit diesen Gedanken gelang es Rita, Herz und Atem wieder zu beruhigen. Sie rutschte auf Knien auf einen Wurzelballen der hohen Gräser, der ihr etwas festeren Grund versprach. Es gelang ihr, den linken Fuß samt Schuh aus dem Sumpfloch zu ziehen. Auf allen Vieren mühsam nach Halt ringend, hangelte sie nach dem anderen Schuh. Eben malte sie sich aus, welches schlammverkrustete Monster sie abgeben würde, wenn sie später zur Klasse zurückkehrte. Seltsamerweise reizte sie diese Vorstellung zum Lachen. Das jedoch blieb ihr im Halse stecken. Zunächst nahm sie eine Bewegung wahr. Nur aus dem Augenwinkel. Wie eine Ahnung. Dann erst vernahm sie diesen Laut. Ihr stockte der Atem.
„Melanie?“, hörte sie sich flüstern. „Pya?“
Langsam, wie unter Zwang, hob sie den Blick.
Sie nahm auf, was da war. Sah es. Doch war es so unmöglich, so schrecklich, dass sie es nicht fassen konnte. Die Büchse der Pandora geöffnet. Tausend Dämonen, die kreischend auf sie zustürmten. Es war nicht möglich! Nicht möglich. Und doch so schrecklich wahr.
Milda!
Rita vergaß zu schreien, vergaß ihre Stimme, ihren Atem. Vergaß alles. Stumm fiel sie vornüber. Spürte wie Kälte aus dem Sumpf ihr durch Beine und Arme in den Leib fuhr wie tödlicher Stahl. Der Schmerz währte nur kurz. Und dann war es still. Wundersam still. So wie der Wald. Ganz still.“
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Ich wünsche spannendes Lesevergnügen.
Herzlich, Ihre Sylke Hörhold