Ein Jahr lang erfreuten uns die Geschichten und Erzählungen von Krissi Brückner auf oberlausitz-art.
Vielen Dank für die vielen schönen Augenblicke, bei denen wir die Journalistin Ella Kühn begleiten, den aufregenden Fall im Kloster aufdecken und Marie und ihr Hündchen aufwecken durften.
Oberlausitz-art wünscht Kristin Brückner alles Gute und weiterhin viel Erfolg.
Ab Januar schlägt die Lesereihe von Schriftstellerin Eva Mutscher ihre Buchseiten auf.
Lassen Sie sich überraschen. Haiko Spottke
Liebe Leser,
mit diesem Auszug aus meinem Roman „Ein Fall für Ella Kühne“, der im kommenden Jahr erscheint, möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Und natürlich auch ein bisschen neugierig machen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, eine frohe und friedliche Weihnachtszeit und kommen Sie gut ins neue Jahr.
Ihre Krissi Brückner
Zu Fuß machte sie sich auf den Weg zum ersten Fotoobjekt auf der Liste. Vorbei am Kornmarkthaus, den Wendischen Graben entlang, bog sie in die Töpferstraße ein. Sie war etwas zu früh dran und so betrachtete sie die Häuser, eines nach dem anderen, wie sie, sich gegenseitig stützend, langsam verfielen. Nur mühevoll konnte sie dem Drang widerstehen, sich Zugang zum Haus zu verschaffen und darin herumzustöbern.
Als Thomas fünf Minuten nach elf noch nicht da war, ging sie durch den alten Torbogen, der in den Innenhof führte. Löwenzahn und Spitzwegerich hatten sich ihren Weg durch das Pflaster gebahnt, kleine Birken wuchsen da, wo vermutlich seit Jahren kein Mensch mehr einen Fuß hingesetzt hatte. Ella war fasziniert davon, wie die Natur sich alles zurückeroberte. Sie zog ihr Handy aus der Tasche – keine Nachricht von Thomas. So begann sie damit, ein paar Fotos mit ihrem Telefon zu machen. Sie mochte diese „Lost Places“ und ihr fiel wieder die Geschichte von Benno ein, wie er mit seinem Freund in der alten Villa rumstromerte und er sich verletzt hatte.
Plötzlich hörte sie Stimmen, die sich näherten. Sie wusste, dass sie das Grundstück nicht hätte betreten dürfen und suchte nach einer nahegelegenen Nische, um nicht gesehen zu werden. Ein paar Meter neben ihr befand sich ein Verschlag mit einem offenstehenden Holztor und sie schlüpfte hinein, in der Hoffnung, dass die alten Scharniere sie nicht durch ein Quietschen verraten würden. Um möglichst viel von dem Gespräch mitzubekommen, schlich sie so nah wie möglich an den Türspalt heran. Als sie eine Position gefunden hatte, fiel ihr Blick auf die verrosteten Scharniere, die über und über voll mit Spinnweben waren. Ella schlug die Hände vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Mäuse, Ratten, Schlangen, das war ihr alles egal. Aber Spinnen! Sie bemühte sich, ruhig zu atmen. Immerhin hatte sie ja die Wahl, ihr Versteck in der Spinnenhölle zu verlassen, aber das wiederum konnte sie mit ihrem Stolz nicht vereinbaren. Also schloss sie die Augen und versuchte sich auf das Gespräch vor der Tür zu fokussieren.
„Der Innenhof ist einfach malerisch. Ich könnte mir gut vorstellen, hier Gastronomie mit einem kleinen Biergarten anzusiedeln. Alternativ wäre auch generationsübergreifendes Wohnen möglich, im Innenhof ein Sandkasten, Sitzbänke, eine Barbecueecke ….“ Sie erkannte die Stimme und als sie durch den schmalen Schlitz der Holztür linste, erkannte sie auch die Person, zu der sie gehörte – Melissa Winter.
„Ja, Wohnraum ist tatsächlich ein rares Gut hier in der Stadt“, erwiderte der männliche Begleiter, „aber ich könnte mir hier etwas ganz anderes vorstellen. Ein Hotel der ganz besonderen Art. Wenige Zimmer, dafür exklusiv.“ Vermutlich ein potentieller Investor, den Ella aber nicht kannte, oder vielleicht der Besitzer dieses verfallenen Kleinods? Ella zückte ihr Handy, um ein Foto zu machen. Ganz nah musste sie an den Türspalt heran, um beide aufs Bild zu bekommen. Inmitten von Spinnweben gruselte es sie und Ella hoffte, die zwei würden sich bald aus dem Staub machen. Als sie das Foto hatte, wollte sie nachsehen, ob es deutlich genug war. Um nicht mit den Spinnweben in Kontakt zu kommen, trat sie ein Schrittchen zurück und stieß dabei gegen einen Holzbalken, der neben dem Tor angelehnt war und früher vermutlich einmal dazu diente, es von innen zu verriegeln. Rumpelnd fiel der Balken zu Boden. Ein Kätzchen, das in der Dunkelheit des Schuppens ein Nickerchen gemacht hatte schreckte auf und streckte sich, bevor es Ella um die Füße strich. Zu gerne hätte sie es gestreichelt, aber sie wagte sich nicht einen Millimeter zu bewegen.
„Was war das?“, hörte sie Melissa Winter fragen. Als Ella sich von dem ersten Schreck erholt hatte, schaute sie durch den Spalt und sah den unbekannten Mann auf sich zukommen. Panisch sah sie sich im Halbdunkel nach einem Versteck um, doch es gab nichts, was groß genug gewesen wäre, sie zu verbergen. Ein paar Meter, dann war der Mann da und sie würde entdeckt werden. Ellas Herz schlug ihr bis zum Hals.
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