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Katzenjammer (Teil 2)

von | 29. März 2020

Sie spazierten über den Feldweg am Viebig. Die Lerchen trällerten am blauen Frühlingshimmel. Übermütig schnippte Trude eine Hagebutte vom Vorjahr an der Wildsträucherhecke. „Ich wusste, dass es eine Dreifarbige geben würde!“

„Aber kein Maikätzel“, sagte EllaMa.

„Na und? Glückskatzen gibt es auch im April.“

„Natürlich, meine Liebe“, erwiderte EllaMa friedfertig. „Schau mal: ist das nicht Rupert Hantzsch da hinten? Was macht er denn da?“ Mit beschirmten Augen blickte Trude in die angegebene Richtung. Sie erspähte ihn sofort. Er war krumm geworden in letzter Zeit, aber nicht so krumm wie er sich jetzt machte, als er sich immer wieder bückte und etwas auf die Weide fallen ließ. „Richtig. Das ist Rupert. – Was zum Kuckuck macht der alte Zausel da?“ Mit einem Griff packte Trude die überraschte EllaMa und zog sie hinter die Hecke. „Was soll das denn, Trude? Du tust mir weh!“

„Was, wenn er die Giftköder auslegt? Wenn er der neue Katzenmörder ist, der hier sein Unwesen treibt.“

„Unsinn.“ Ärgerlich befreite sich EllaMa und rieb sich den Arm. „Du weißt doch wie traurig Rupert war, als seine Dreibeinige Katze letztes Frühjahr eingegangen ist. Warum sollte er plötzlich Katzen etwas antun?“

„Vielleicht aus Neid.“

„Wie immer bist du bereit, das Schlimmste von Rupert zu denken.“

Trude verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe auch allen Grund dazu.“

„Und wie oft hast du schon falsch gelegen damit?“

„Wüsste nicht wann“, trotzte Trude.

„Was ist mit deinem Verdacht gegen Rupert bei den Katzenmorden zum Hexenbrennen vor ein paar Jahren?“

Eine leichte Röte überzog Trudes Gesicht. „Diese teuflische Sache“, grummelte sie. „Immerhin konnten wir dem ein Ende setzen damals.“ Dann griff sie wieder nach EllaMa. „Komm, wir schleichen uns näher.“

Mit einem Seufzen gab EllaMa nach. „Du weißt schon, dass wir uns hier lächerlich machen?“

„Von mir aus.“ Geduckt schlichen sie sich den Feldrain entlang. Auch wenn die Hecke noch wenig belaubt war, fanden sie Deckung. Rupert selbst war ganz in sein Tun vertieft.  „Schau!“, flüsterte Trude. „Er legt irgendwas aus. Und da!“ Ihre Stimme bekam ein dramatisches Tremolo. „Eine Katze!“ Tatsächlich näherte sich über das sprießende Grün der Weide mit aufgestelltem Schwanz ein kleiner grauer Tiger dem krummen Mann. Rupert verharrte. Die Katze hielt ebenfalls inne. Sie schnupperte an etwas. Trude hätte am liebsten geschrien. „Warte!“, hielt EllaMa sie zurück. „Aber wenn das Gift ist!“

„Warte!“

„Oh, sieh nur: sie frisst es“, jammerte Trude. Nach ausgiebiger Inspektion hatte sich die Katze über das hergemacht, was Rupert ausgelegt hatte. Er selbst stand mit einer Büchse in der Hand und beobachtete die Katze. „Dieser Unhold!“

„Trude!“

„Jetzt! Jetzt fasst er sie an!“ Trude sprang aus dem Busch heraus. Die beiden auf der Wiese ließen sich nicht davon stören. Rupert hatte sich zu der Tigerkatze heruntergebeugt, die sich ihm soweit genähert hatte, dass er ihr Köpfchen berühren konnte. EllaMa gab ebenfalls ihre Deckung auf. Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Katze um Ruperts krumme Beine zu streifen begann und er ihr die Büchse hinstellte.  

„Rupert!“, schrie Trude. „Was gibst du der Katze, he?“

Der Angerufene musste sich erst eine Weile umsehen, bevor er sie entdeckte. Währenddessen machte sich die Katze über den Rest aus der Büchse her. „He, ihr beiden“, rief Rupert über die Wiese. Er winkte ihnen zu. Ein breites zahnloses Grinsen zog sich von einem Ohr zum anderen. „Meine neue Freundin“, stellte er den Tiger zu seinen Füßen vor. „Du kommst zu spät, Trude.“ Sein glückliche kehliges Raucherlachen wehte zu ihnen herüber.

Trude hob nur schwach die Hand, um seinen Gruß zu erwidern. Dass es ihrer Freundin vor Beschämung die Sprache verschlug, erlebte EllaMa selten. Sanfte stupste sie Trude in die Seite. „Lass uns heimgehen.“

Zu Hause bei Kaffee und Zeitungslektüre blieb Trude noch immer schweigsam. „Ich werde Rupert mal wieder einen Kuchen backen“, sagte sie bloß einmal wie nebenbei und tief in Gedanken. Dann entdeckte EllaMa die Nachricht unter Lokales. “Trude!  Sie haben den Katzenkiller!“ Raschelnd hielt sie ihr die Zeitung unter die Nase. „Ein einsamer, verwirrter Mann, der glaubte, die Katzen würden ihn verhexen.“

Trude starrte sie an. „Der arme Mensch …“

 

Sylke Hörhold

www.sylke-hoerhold.de  

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